24/10/2025 0 Kommentare
Europa und seine Heiligen
Europa und seine Heiligen
# geistliche Impulse/Extrablatt MH

Europa und seine Heiligen
In wenigen Tagen feiern wir „Allerheiligen“. Ich möchte daher auf einen speziellen Aspekt der Heiligen hinweisen.
Meine These: Heilige haben Kultur geprägt, sie haben vor allem Europa ganz wesentlich gestaltet. Ohne die Heiligen sähe Europa völlig anders aus.
Beginnen wir mit dem heiligen Benedikt. Er zog sich aus dem dekadenten Rom in die Einsamkeit zurück und erstaunlicherweise war das anziehend für Gleichgesinnte. Aus Benedikts Ansatz des Gemeinschaftslebens entwickelte sich eine neue Kultur: Männer lebten unverheiratet unter einem Dach, beteten regelmäßig miteinander, arbeiteten auf Feldern, in Wäldern, auf Seen, in Bibliotheken, unterrichteten die Jugend. Vor allem entstand eine Schriftkultur. Wir können uns heute kaum vorstellen, wie Europa aussähe, wenn es keine Klöster gegeben hätte.
700 Jahre später sorgte Franz von Assisi für eine weitere Kulturrevolution: Er zeigte der reich gewordenen Hierarchie, dass nur wer radikal im Vertrauen auf Gott lebt, ganz Christ ist. Bettelarm sein wie der Mann aus Nazareth! Bald zogen auch reiche Herzoginnen aus Schlössern aus und pflegten Arme und Kranke – Dienen war angesagt.
Frauen wie Theresa von Avila erkannten: Nicht nur Denker machen Theologie, sondern auch mystische Erkenntnisse gehören zum Glauben. Später standen andere Christinnen wie Mary Ward dafür ein, dass auch Frauen lesen, schreiben und selbst denken sollen.
Gottlob gibt es auch heute Heilige! Aber leider werden sie vermutlich erst in Jahrhunderten als Kulturpräger erkannt. Heilige prägten einen Teil dessen, was Jesus Christus mit „Reich Gottes“ gemeint hat: Sie machten mit Blick auf Christus die Welt humaner und gerechter. Das Problem Europas ist meines Erachtens vor allem, dass viele von uns von Geschichte zu wenig wissen. Würden wir die Geschichte kennen, würden wir auch Jesus Christus wiederentdecken.
Ihr Eberhard von Gemmingen SJ, München

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