
17/10/2025 0 Kommentare
Verlassen - zurückgelassen
Verlassen - zurückgelassen
# geistliche Impulse/Extrablatt MH

Verlassen - zurückgelassen
Im Evangelium hat Jesus in Gleichnissen viele Botschaften anschaulich erzählt. Bekannt ist die Erzählung vom verlorenen Schaf, das sich verlaufen hat oder eigensinnig in die Irre gegangen ist (Lk 15,3–6). Der treue Hirte geht und sucht nach dem Verlorenen. So wichtig und wertvoll ist ihm das Eine, dass er die anderen 99 von der Hunderter-Herde allein lässt.
Das will sagen: So wertvoll und wichtig ist dem Hirten auch ein einzelnes Schaf, dass er dieses suchen will, aus welchem Grund auch immer es nicht bei seiner Herde geblieben ist.
Jeder und jede von uns kennt Frauen und Männer, vor allem ältere, die allein sind und sich verlassen und einsam fühlen. Sie klagen, dass sie kaum jemand besuchen kommt. Niemand scheint sie zu (be)suchen. Früher hatten sie Verwandte, Freunde und viele Kontakte.
Hier ist das genannte Gleichnis umgekehrt: Nicht der oder die Einzelne hat sich von der Herde der Verwandten und Freunde wegbegeben. Es haben sich viel mehr die 99 anderen „zurückgezogen“, sodass der bzw. die Einzelne den Eindruck hat: Sie haben sich alle von mir zurückgezogen. Sie haben mich alle verlassen.
Und das ist nicht böswillig. Denn je älter wir werden, umso mehr Angehörige und Freunde sind ebenfalls älter geworden. Oft sind sie nicht mehr so mobil, können kaum noch aus dem Haus und auf Besuch gehen. Manche sind gestorben und uns voraus „heimgegangen“.
Vertrauensvoll möchte ich analog zum Gleichnis vom guten Hirten, der das eine verlorene Schaf suchen geht, daran denken: Dieser Hirte sucht auch jene auf, die sich zurückgelassen und verlassen erleben. Auch wenn mich weniger Menschen besuchen kommen (können) – Jesus, der gute Hirte, verlässt mich nie. Er verlässt niemanden.
Vielleicht liegt hier das Geheimnis: Will ich mich vom guten Hirten, von Jesus suchen und finden lassen? Will ich Ihm beim Beten begegnen? Seine Einladung zur Mitfeier der Gottesdienste wahrnehmen? Wie viel Freude wird darüber im Himmel herrschen (vgl. Lk 15,7)?
Ihr Reinhold Ettel SJ, Wien

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