
02/08/2025 0 Kommentare
Weg in die Stille
Weg in die Stille
# geistliche Impulse/Extrablatt MH

Weg in die Stille
Kontemplation fordert heraus, einen Weg in die Stille zu gehen. Im Raum der Stille wächst die Kunst, sein eigenes Leben als Geschenk zu empfangen, es besser in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Da uns die Zeit buchstäblich ständig davonzulaufen scheint, ist es auch eine anspruchsvolle Kunst, die Zeit voll und ganz zu nutzen.
Wer sich entschließt, sich täglich genügend Zeit zur Kontemplation zu nehmen, wird einen Wandel erfahren, der zu sich selbst und zu den anderen führt. Diese Erfahrung zieht sich durch verschiedene mystische Traditionen des Ostens und Westens.
Der kontemplative Weg geschieht im Spannungsfeld meiner Begegnungen mit Menschen verschiedener Kulturen und Religionen Asiens, besonders Chinas und Indiens. Zurückblickend auf die letzten Jahrzehnte scheint gegenseitiges Interesse und die Bereitschaft, sich mit anderen Lebens- und Denkweisen ernsthaft auseinanderzusetzen, großen Schwankungen unterworfen zu sein. So erweist sich Kontemplation nicht zuletzt auch als eine Chance, in jeder Situation die nötige Distanz zu gewinnen, die hilft, massive Spannungen zu entschärfen und Wege zueinander und gegenseitiges Verständnis zu erschließen.
Für jeden gibt es einen Weg in die Kontemplation
Nun gibt es, auch was die religiöse Erfahrung betrifft, „unmusikalische“ und „musikalische“ Menschen. Der Weg der Kontemplation steht allen offen. Für religiös musikalische Menschen kann dieser Weg manchmal die Gestalt einer Pilgerwanderung annehmen: das Aufbrechen zu einem Heiligtum, die Entdeckung der eigenen spirituellen Wurzeln und das Eindringen in die eigenen Heiligen Schriften.
Doch auch religiös unmusikalische Personen können einfach in Stille eintauchen und dort Dinge entdecken und erfahren, nach denen sie lange gesucht haben. Was die Offenheit für den kontemplativen Weg betrifft, so kann es manchmal sogar ein Vorteil sein, nicht von religiösen Erfahrungen und Vorurteilen besetzt zu sein.
Kontemplation befreit zu einer Kultur eines Umgangs mit sich selbst und anderen, welche das Interesse an der größeren Gemeinschaft nie aus den Augen verliert. Es geht dabei immer auch um wichtige kleine Schritte, um die Lebenskunst von Kontemplation und vom Einsatz für Versöhnung und Frieden mit anderen einzuüben und in verschiedenen Netzwerken umzusetzen.
Schaffe ich es, mich regelmäßig dazu durchzuringen, mir Zeit zur Stille und Sammlung zu nehmen? Ausreden gibt es jederzeit, vor allem den Vorwand, keine Zeit zu haben.
Ihr Stephan Rothlin SJ, Macao, China

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