Vater unser - wie Jesus ihn versteht

Vater unser - wie Jesus ihn versteht

Vater unser - wie Jesus ihn versteht

# geistliche Impulse/Extrablatt MH

Vater unser - wie Jesus ihn versteht

Im Sonntagsevangelium fordert Jesus seine Jünger auf, im Gebet Gott als „Vater“ anzureden. Es ist für uns Christen der wichtigste Name Gottes: Gott, unser Vater.

Doch wie denken wir uns diesen Vater? Manche beten lieber zu Jesus, weil sie ihren leiblichen Vater wenig positiv erlebt haben. Für andere klingt das Wort „Vater“ zu patriarchalisch. Mein Problem war lange dies: Ich empfand diese Anrede für Gott als zu blass, da schwang nichts Göttliches mit. Bis ich mir sagte: Du solltest nicht von einem menschlichen Vaterideal ausgehen und es auf Gott übertragen. Auch wenn du es noch so steigerst, gelangst du nur zu einem überhöhten Menschenvater. Frag lieber: Wen meint Jesus, wenn er Gott unseren Vater nennt?

Für ihn ist dieser Vater zuallererst der unendlich große Gott im Himmel, der – anders als ein irdischer Vater – die Welt erschuf, die Vögel des Himmels ernährt (Mt 6,26) und weiß, was wir brauchen (Mt 6,32). Keine kosmische, kalte Macht, sondern uns in Liebe zugewandt und zuinnerst verbunden: Ob wir ihm für seine Gaben danken oder in „Furcht und Angst“ zu ihm rufen, wir dürfen ihn mit dem vertraulichen Kinderwort „Abba“, „Papa“, ansprechen wie Jesus am Ölberg (Mk 14,36). Durch seinen Geist, den er denen gibt, die ihn darum bitten (Lk 11,13), bestärkt er uns in jener Tiefe, in der wir den Ruf unseres Gewissens vernehmen: „… und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,4).

Diese Nähe ist auf Gemeinschaft, auf das Reich Gottes ausgerichtet. Jesus lässt uns nicht „mein“, sondern „unser Vater“ beten. Wir sollen bitten und uns einsetzen, damit sein „Reich komme“: eine neue Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen, die ein Gemeinsames verbindet, das bestehende Vermögens- und Rangunterschiede relativiert und uns zu Geschwistern mit einem gemeinsamen Vater macht.

Kinder dieses Vaters werden wir nicht durch passive Harmlosigkeit, sondern indem wir ihn nachahmen: Frieden stiften und einander vergeben (Mt 6,14) wie er, der dem „verlorenen“ Sohn voll Freude entgegeneilt (Lk 15,20). Gutes tun, ohne eine irdische Belohnung dafür zu erwarten – wie er, der „gütig ist gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lk 6,35), ja selbst Feinde lieben, so wie er „seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten“ (Mt 5,45).

Jesu Vater ist ewige, unendliche Gerechtigkeit und Liebe, die durch uns in die Welt strömen will, um sie von Unrecht und Lieblosigkeit zu erlösen. Darum ruft uns Jesus zu: „Seid vollkommen (großzügig), wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48), „seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lk 6,36).

Was für eine Vision!

Ihr Bernhard Grom SJ, München

 

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