24/05/2025 0 Kommentare
Daheim in der Fremde
Daheim in der Fremde
# geistliche Impulse/Extrablatt MH

Daheim in der Fremde
Daheim in der Fremde. Oder sollte es nicht besser heißen: in der Ferne? Denn ich bin ja nicht mehr in der Fremde, wenn ich sie als mein Daheim bezeichne …
Sie merken schon, der Einstieg ist ein bisschen, wie ihn Karl Valentin schreiben würde. Also wenn ich in der Fremde bin und sie als mein Daheim bezeichne, kann ich nicht mehr fremd sein – oder doch?
Und schon sind wir mitten in einer sehr aktuellen Debatte. Wir wollen als Christen, dass sich Fremde schnell daheim fühlen oder zumindest wohl, dass sie keine Angst haben müssen vor Verfolgung, Gewalt, Verschleppung und Schlimmerem.
Ich bin nun fast ein Jahr nicht mehr „daheim“, also in Deutschland, sondern Pfarrer für die deutschsprachigen Katholiken in Singapur und Kuala Lumpur. Ich lebe in Asien, einer für manche „anderen“ oder „fremden Welt“.
Als fremde Welt erlebe ich es hier aber nicht, denn nachdem ich mich eingelebt habe, ist vieles verständlich und einfach. Denn ich habe mich verändert in dieser Zeit hier, weil ich versucht habe, mich anzupassen oder den Erfordernissen gerecht zu werden. Zum Beispiel wird hier in Singapur sehr viel Wert auf Verwaltung und Formulare gelegt: Überall muss man etwas ausfüllen, oft mehrere Seiten. Daran muss man sich erstmal gewöhnen und das braucht Zeit. Und das, obwohl ich immer dachte, wir Deutschen wären die Weltmeister in Bürokratie. Von wegen!
Ich bin in der Fremde immer Gast. So verhalte ich mich auch: Ich diskutiere nicht ungefragt über das politische System und schon gar nicht beim ersten Treffen mit locals. Wenn ich überhaupt dazu was sage, dann sehr diplomatisch korrekt. Ich bin Gast, ich bin hier nicht geboren oder aufgewachsen. Aber ich kann meinen Beitrag einbringen.
Jetzt fragen sich bestimmt immer noch viele: Warum gibt es das denn, einen Priester für die deutschsprachigen katholischen Christen in Singapur? Übrigens nicht nur hier, sondern weltweit an 100 Orten. Und ich sage Ihnen ehrlich, das ist auch meine Frage – immer noch, aber langsam komme ich dahinter. Denn mein Glaube hat etwas mit meiner originären Sprache zu tun. Ich kann in der Messe in englischer Sprache beten, aber beim persönlichen Gebet gehe ich dann wieder in meine Muttersprache über. Der Glaube scheint also tief mit der Sprache verwurzelt zu sein. Eine schöne Erkenntnis.
Was ist Ihre Sprache, wenn Sie mit Gott sprechen?
Ihr Holger Adler SJ, Singapur

Kommentare